Wohnungssuche
in Amsterdam
Ich wusste
schon, dass das kein Spaziergang wird. Dass es so schwierig wird,
hätte ich nicht erwartet.
Es war schon
klar, dass ich mir alleine keine Wohnung leisten konnte.Appartements
in der Innenstadt sind nur was für Großverdiener. Aber auch
außerhalb sind die Preise immer noch astronomisch. Sozialen
Wohnungsbau oder Wohnungsbau Gesellschaften wie in Deutschland gibt
es kaum. Und wenn, kam man auf Wartelisten, die in einer Stadt wie
Amsterdam auch schon mal Jahre dauern konnten.
Daher
freundete ich mich schnell mit dem Gedanken an, ein Zimmer in einer
WG zu beziehen. Gut, ich war jetzt nicht mehr so jung und nicht die
Typische Amsterdam Auswanderin, aber irgendwas wird wohl möglich
sein.
Es gibt viele
Internetseiten, aber diese waren nicht wirklich hilfreich. Es gab
zwar Zimmer, aber wenn man die Vermieter anschreiben wollte wurde man
darauf hingewiesen, dass man erstmal kostenpflichtig Mitglied werden
musste. Und selbst dann war nicht sicher, ob man auch wirklich was
finden würde.
Bei Facebook
gibt es diverse Seiten. Rooms for rent in Amsterdam, Appartments in
Amsterdam, Roommates in Amsterdam...
Ich klickte
mich durch hunderte Wohnangebote. Das Hauptproblem war: Wenn man in
Amsterdam offiziell leben und arbeiten möchte, braucht man eine
Bürgernummer. Diese Nummer bekommt man bei der Gemeinde, allerdings
nur mit einem gültigen Mietvertrag. Man muss sich also
"registrieren". Doch die meisten Zimmerangebote kamen mit
dem Hinweis: No Registration possible. Ich wusste zuerst nichts damit
anzufangen, aber nach und nach verstand ich. Die "Vermieter"
waren selber Mieter, und ihre zusätzlichen Zimmer vermieten sie ohne
Zustimmung des eigentlichen Wohnungsbesitzers. Daher kein
Mietvertrag, daher no registration.
Da viele, vor
allem junge Leute, in Amsterdam oft nur wochen/monateweise bleiben,
lohnt sich der Aufwand für Mietvertrag etc. nicht für die
Wohnungseigentümer. Dadurch enstand wohl dieser unüberschaubare,
chaotische Wohnungsmarkt.
Ich lernte
auch, dass man eine registration adress "mieten" konnte.
Für "nur" 250 € im Monat, plus natürlich Kaution, bekam
man eine Anschrift und einen Vertrag, mit dem man sich bei der
Gemeinde anmelden konnte.
Okay, so
verzweifelt war ich noch nicht.
Als nächstes
schreckten mich die Preise ab. 800 € und mehr im Monat für ein 11
qm Zimmer. Kaution in Höhe von mindestens einer Monatsmiete plus
Vermittlungsgebühr. Mit Glück durfte man das Wohnzimmer mit
benutzen. Manchmal aber eben auch nicht. Man war immer eigentlich
illegaler Untermieter und konnte jederzeit wieder vor die Tür
gesetzt werden.
Ich schrieb
ungefähr 80 Leute an. Immer mit der selben Info: Ich bin 47 Jahre
alt, habe demnächst einen Job in Amsterdam, interessiere mich für
das Zimmer, bin nett und freundlich und ordentlich, gesellig, mag und
akzeptiere natürlich auch die Privatsphäre... so in der Art.
Viele haben
gar nicht geantwortet. Für manche war ich sicher schlichtweg zu alt,
ich konnte mir selber schwer vorstellen in einer 4er WG mit
Mittzwanzigern oder einem Haufen Studenten zu wohnen.
Der ein oder
andere sagte zumindest ab, weil das Zimmer schon vergeben war oder er
oder sie der Meinung war, es würde nicht passen.
Ich war vor
Scammern gewarnt worden. Leuten, die Zimmer oder gar Appartements
anboten, die es vermutlich gar nicht gab. Sie wollten vorab schon mal
die erste Wohnungsmiete, dann würde man den Schlüssel bekommen.
Aber schnell, weil es gab so viele andere Interessenten. Oder sie
waren zwar gerade nicht im Lande, aber wenn man die Kaution an einen
Mittelsmann bei airbnb überwies, bekam man den Schlüssel, hatte
drei Tage Zeit die Wohnung zu besichtigen und wenn man kein Interesse
hatte, bekam man sein Geld wieder.
Ein Mann
wollte aussagekräftige Fotos von mir, ein andere bot mir eine
kostenlose Unterkunft an, wenn er mich dafür regelmäßig massieren
durfte.
Bei
einigen hätte ich schnell vor Ort sein müssen, was nicht so einfach
war. Ich hatte immer noch meinen Job in Deutschland, die Fahrt von
2,5 Std. war auch nicht mal so eben zu bewältigen.
Mit
schließlich ganzen drei Terminen auf dem Plan fuhr ich dann nach
Amsterdam.
Zuerst
traf ich Adrian. 28 Jahre alt aus Rumänien. Auch nicht meine
Altersklasse. Aber er hatte nett auf meine Anfrage geantwortet und
betont, er sei froh dass ich 47 Jahre alt sei und keine Partymaus. Er
hatte schon genug in Amsterdam erlebt und wollte einfach eine
friedliche, saubere Wohnungskollegin.
Er
holte mich am Bahnhof ab und wir machten uns auf den Weg zu Klaas,
einem Makler. Der hatte Adrian schon eine Wohnung gezeigt in
Amsterdam Nord. Zu teuer für ihn alleine, 1400 € inklusive
Nebenkosten. Klang fast zu gut um wahr zu sein. 100 qm, 2
Schlafzimmer, Balkon, Wohnzimmer, Esszimmer, Küche, komplett
renoviert und in einem schönen grünen Viertel. Unterwegs erzählte
Adrian mir, in welch katastrophalen Zuständen er schon gelebt hatte.
Das steigerte nicht gerade meine Hoffnungen.
Klaas
empfing uns freundlich. Sein Maklerbüro war sauber und wirkte
professionell.
Er
zeigte mir Fotos der Wohnung. Fast schon luxuriös, geschmackvoll
eingerichtet, sauber und sehr ordentlich. Klaas wollte ein bisschen
von mir wissen, über meinen Job und Einkommen, um das an die
Eigentümerin der Wohnung weiter zu leiten.
Dann
kam die Ernüchterung. 1400 € Miete, 1400 € Kaution, 1000 €
Maklergebühr, 250 € Steuern... Jeder von uns musste erstmal knapp
2000 € aufbringen um dort einziehen zu können. Nicht nur ich
musste schlucken, auch Adrian war kein Großverdiener.
Dennoch...
das wäre was.
Die
Wohnung war noch bewohnt, deswegen konnten wir sie so spontan nicht
besichtigen, aber Klaas schlug vor, dass Adrian und ich hinfahren
konnten damit ich mir schon mal einen Überblick über die
Gesamtsituation machen konnte. Einen Besichtigungstermin würde er
für die kommende Woche machen können, wenn die Mieter aus der
Wohnung ausgezogen waren.
Also
mietete ich am Bahnhof ein Fahrrad, Adrian hatte als Amsterdamer ja
sowieso eins.
Wir
setzten mit der Fähre über den Fluss und fuhren von dort noch 20
Minuten bis zu der Wohnanlage.
Traumhaft...
es waren zwar nicht wirklich schöne Wohnblocks, aber die Gegend war
grün, ruhig, ein Bus fuhr in der Nähe. Die Leute die uns dort
begegneten und dort offensichtlich wohnten waren freundlich und
"normal", keine Problemgegend.
Hier
konnte ich mir wirklich vorstellen zu leben. Auch Adrian war aus dem
Häuschen.
Wir
radelten wieder zurück. Mein Kopf war voller Eindrücke. Ich wollte
so gerne da wohnen, aber das viele Geld...
Am
Bahnhof verabschiedete ich mich von Adrian, der mich schon "Roomie"
nannte.
Mein
nächster Termin war ein Treffen mit Nina. Eine junge Münchnerin,
die ihr Zimmer in einer Vierer WG zwar nicht dauerhaft vermietete,
aber für 3,5 Wochen. Dies machen viele die das Land im Urlaub
verlassen.
Das
war mein Plan B, falls ich nichts passendes finden würde. Ein
Not-Zimmer, damit ich vor Ort sein konnte und schnell reagieren
konnte. Ziemlich riskant, falls ich in den 3,5 Wochen nichts finden
würde, wäre ich obdachlos. Aber ich war schon einigermaßen
verzweifelt.
Nach
der Luxus Wohnung, die ich zwar nicht von innen gesehen hatte, aber
von der Klaas und Adrian behaupteten, sie sähe in echt genauso aus
wie auf den Fotos, erwartete mich nun was ganz anderes. Nina wohnte
mitten in der Stadt. In unmittelbarer Nähe zu einem der größten
Ausgehplätze Ein verstecktes kleines Häuschen in dem man sicher den
Trubel der Partypeople mitbekommen würde.
Das
war jedenfalls Amsterdam pur.
Nina
war sehr nett. Wir hatten vorher schon telefoniert und sie hatte mir
von den Eigenarten des Hauses und der WG erzählt.
Dies
war eines der Häuser, in dem die Mitbewohner so oft wechselten, dass
registration nicht möglich war.
Ihr
Zimmer war eine Art Aquarium im Erdgeschoss. Kein Fenster nach
draußen, aber eins zum Wohnungsflur. Es gab Rollos, aber die nutzte
sie nicht oder nur selten. Jeder der das Haus betrat, musste an ihrem
Zimmer vorbei und sah damit zwangsläufig in ihr privates Reich.
Unten
war noch eine Toilette, ansonsten nur eine Treppe nach oben. In der
1.Etage war eine Küche und ein Wohnzimmer. Alles etwas alt und
vielleicht renovierungsbedürftig, aber vollkommen ausreichend. Auf
dieser Etage hatte sich eine Mitbewohnerin eine Nische mit Pappe
zugebaut, also quasi ein Zimmer erschaffen. Ohne Wände, ohne
richtige Tür, nur mit Pappe.
Eine
weitere Etage höher war ein richtiges Zimmer. Und der Zugang zu
einer wirklich netten Dachterrasse. Dort konnte man sicher prima
Stunden verbringen.
Auf
der obersten Etage war ein winziges Zimmer mit schrägen auf beiden
Seiten, so dass man nicht mal einen Schrank aufstellen konnte.
Trotzdem wirkte das Zimmer eigentlich recht gemütlich. Das
Badezimmer und die Waschmaschine befand sich ebenfalls da oben.
Wir
setzen uns eine Weile ins Wohnzimmer und plauderten. Das Haus war
für meine bis dahin geordneten und spießigen Verhältnisse total
schräg, aber ich wäre trotzdem gerne dort eingezogen. Nur war es ja
als Plan B gedacht, eine feste Bleibe wäre mir natürlich lieber.
Ich
erfuhr, dass Nina, genau wie alle anderen mit denen ich gesprochen
hatte, ebenfalls solche Probleme gehabt hatte, eine Bleibe zu finden.
Sie hatte auch zunächst eine Übergangslösung gefunden, und nach
langer Suche in der Nacht, bevor sie dort ausziehen musste, erst die
Zusage für eine feste Unterkunft erhalten.
Ich
war dankbar für jede Information, aber das senkte meine Hoffnung
noch mehr, irgendwie schnell was erschwingliches zu finden, noch
weiter.
Nina
brachte mich noch ein Stück, um mir den Weg zur Metro Station zu
zeigen und wir verabredeten, uns demnächst mal auf einen Kaffee zu
treffen, wenn sie wieder im Lande war und ich in Amsterdam sesshaft
geworden war.
Mein
dritter und letzter Termin für diesen Tag war in Sloterdijk. Dort
war auch meine neue Arbeitsstelle, deswegen war ich auf dieses Zimmer
besonders gespannt.
Auf den Fotos sah es toll aus. Gemütliches
Zimmerchen im Erdgeschoss mit eigenem Zugang zu einem Mini-Garten.
Sauber, gepflegt. Die Bewohner waren selber Mieter, ein junges Paar.
Aber Registrierung war auch dort möglich wenn man länger blieb. Und
sie hatten zwei kleine Hunde wie ich schon wusste. Das würde mir die
Trennung von meinem Hund, der in Deutschland bei meiner Tochter
bleiben würde, vielleicht etwas erleichtern.
Das
Paar war sehr nett und freundlich. Außer mir war eine junge Frau
gerade zur Besichtigung da. Diese erzählte dass sie erst vor zwei
Monaten umgezogen war, aber der Eigentümer sie nun raus schmiss,
weil er die Wohnung selber nutzen wollte. Ebenfalls üblich in
Amsterdam.
Die
Wohnung war zwar wirklich sehr ordentlich, aber winzig. Geschätzt
vielleicht 55 qm. Mini Wohnzimmer, offene Küche. Kleines Badezimmer
und zwei Schlafzimmer. Direkt aneinander. Beide hatten Zugang zum
kleinen Garten, der eher nur eine Terrasse war. Die allerdings recht
hübsch war. Privatsphäre wäre dort vermutlich nicht mal im eigenen
Zimmer möglich, da man mit ziemlicher Sicherheit jeden Schritt und
jedes Wort, das egal wo in der Wohnung gesprochen wurde, hören
konnte. Dort Besuch zu empfangen wäre fast unmöglich gewesen.
Ich
war allerdings verzweifelt genug, auch dieses Zimmer zu nehmen.
Man
wollte sich am nächsten Tag entscheiden. Mit mit dem Kopf voller
Eindrücke und dem Gefühl, nicht wirklich weiter gekommen zu sein,
verließ ich Amsterdam in Richtung Heimat.
Am
nächsten Tag erhielt ich die Nachricht des netten Paares aus
Sloterdijk, dass sie sich für einen anderen Mitbewohner entschieden
hatten. Sie bedankten sich aber, dass ich gekommen war und wünschten
mir viel Glück bei der Zimmersuche.
Kurz
darauf schrieb Klaas, dass die Eigentümerin der Luxuswohnung sich
entschieden hatte, die Wohnung an ein befreundetes Paar zu vermieten.
Ihr war es zu riskant, zwei einander Fremde dort einziehen zu lassen.
Ich konnte es verstehen, war aber trotzdem enttäuscht. Klaas hatte
jedoch eine Ersatzwohnung parat. Ebenfalls im Norden, nicht ganz so
im Grünen, dafür ein großes Einkaufszentrum mit allem was man so
brauchte direkt gegenüber. Gleicher Preis, nur nicht ganz so
luxuriös und näher zur Fähre.
Ich
stimmte zu, die Wohnung am kommenden Donnerstag zu besichtigen.
Gleichzeitig
hatte ich immer noch das Problem, wie ich 2000 Euro aufbringen
sollte. Denn diese Kosten würden auch bei der zweiten Wohnung auf
mich zukommen.
Ich
erzählte in meinem Freundeskreis davon und heulte mich ein bisschen
aus. 1000 Euro konnte ich aufbringen, die restlichen waren
unerreichbar für mich.
Doch mein rettender Engel war eine Freundin.
Sie sagte, daran dürfte mein Traum von einem neuen Leben nicht
scheitern und sie überwies mir kurzerhand 650 Euro. Ich kann jetzt
noch nicht fassen, dass sie das so einfach getan hat und werde immer
und ewig dankbar dafür sein.
Die
fehlenden 350 kamen von meiner Tochter und ihrem Freund, dafür
überlies ich ihnen die Einbauküche und vor allem die Kaution.
Okay,
die Finanzen waren geregelt. Jetzt brauchte ich nur noch eine
Wohnung.
Hoi Moni,wow,das ist ja noch schlimmer,als ich dachte. Ich wollte zwar nicht nach A'dam ziehen, aber in Alkmaar wird es dann auch nicht wirklich einfacher sein...Hast du jetzt eine feste Bleibe??? Ich wünsche es dir!!! Ingrid
AntwortenLöschen